Nach dem Zweiten Weltkrieg suchte mein Grossvater Arbeit in der Elektrizitätsbranche. Er fand sie bei der KWO. Auch wenn die meisten seiner Kinder das Haslital wieder verlassen haben, kehrten wir Enkel gerne zurück. Vom Balkon der Grosseltern hatten wir einen phantastischen Blick auf die Freiluftschaltanlage und die Freileitungen. Auch durften wir mit Grossvater durch die Kabelkeller streichen. Doch das Weite und Offene gefiel mir schon immer besser. Über die Landschaftsplanung kam ich dann wie mein Grossvater in die Elektrizitätsbranche und wurde Projektleiter für Hochspannungsfreileitungen.
Vermag die Verbindung Innertkirchen – Ulrichen, die Lücke im europäischen Netz zu schliessen?
Das Übertragungsnetz der Schweiz wurde in den Jahren vor und nach dem Zweiten Weltkrieg gebaut. Die Materialen kommen, wenn auch gut instandgehalten, langsam, aber sicher an die Altersgrenze. Zudem wurden die Leitungen damals für eine konstante Bandenergie aus zentralen Atom-, Kohle- und Gaskraftwerken gebaut. Heute mit verschiedenen, dezentralen Photovoltaik-Anlagen und Windturbinen aber auch Kleinwasserkraftwerken muss das Netz anderen Ansprüchen gerecht werden.
In meiner Zeit als Projektleiter für Hochspannungsleitungen durfte ich mit dem Sachplanverfahren für die Leitung Innertkirchen – Mettlen bei Eschenbach LU starten, deren Kapazität schon seit 1972, also lange vor meiner Zeit als Umwelt- und Landschaftsplaner, nicht mehr genügte. Projektziel war es, mit der geplanten Verbindung den Leitungszug Mettlen – Innertkirchen – Ulrichen auf die heutigen Ansprüche im gesamteuropäischen Netz anzuheben. Nach der Übernahme der Übertragungsleitungen durch die Swissgrid wurde mein Sachplanverfahren jedoch gestoppt.
Die mangelnde Kapazität der Verbindung Mettlen – Ulrichen wird im festzusetzenden Objektblatt des SÜL als Begründung für die Erneuerung der Leitung Innertkirchen – Ulrichen im Obergoms VS genannt. Der Flaschenhals zwischen Mettlen und Ulrichen liegt jedoch nicht an der Grimsel, sondern zwischen Innertkirchen und Mettlen, im sistierten Projekt. Die Erneuerung der Grimselleitung kann das Netz weder europaweit noch in der Schweiz selbst stabilisieren. Es kann nur die Verbindung nach Süden, gegenüber Italien sicherstellen und die Kapazität dort erhöhen.
Einsprachen vorprogrammiert
Das Objektblatt erklärt, dass das Siedlungsgebiet im Obergoms durch den Rückbau der bestehenden Leitung entlastet werde und das Übergangsbauwerk gut in die Landschaft eingepasst sei. Für das Übergangsbauwerk wird die Fläche vor der Siedlung Unterwassern vorgeschlagen. Eine Fläche die bisher fast frei von Freileitungen war (siehe Bild). Ein Übergangsbauwerk benötigt mindestens die halbe Fläche eines Eishockeyfeldes und ist über sechzehn Meter hoch.
Zudem ist für Kabelstrecken dieser Länge eine Kompensation der Blindleistung notwendig. Die Kompensationsspulen werden mindestens noch einmal eine solche Fläche beanspruchen. Zu behaupten, dass in einer ausgeräumten Landschaft, wie der Talfläche des Obergoms, dieses Bauwerk nicht auffallen sollte, ist meines Erachtens irrwitzig und wird sich bei der Planeingabe mit vielen Einsprachen zeigen.
Wer bezahlt die anfallenden Mehrkosten?
Die Unterquerung der Grimsel mit einer Kabelleitung entlastet zwar die verschieden Landschaften an der Grimsel. Einige davon sind auch Landschaftsschutzgebiete oder sogar UNESCO-Welterbe. Heute jedoch durchqueren Freileitungen diese Gebiete und es wird offen über die Erstellung von Windturbinen nachgedacht. Sind unter diesem Aspekt die im erläuternden Bericht ausgewiesenen Mehrkosten von 100 Millionen Franken für eine Unterquerung der Grimsel gerechtfertigt? Die Elcom hat zudem noch nicht entschieden, ob diese Mehrkosten den Stromkonsumenten in Rechnung gestellt werden dürfen. Wenn jedoch, wie im Objektblatt behauptet, das Übergangsbauwerk in eine offene Tallandschaft eingebettet werden kann, so kann die Freileitung, als bedeutend kleineres Bauwerk, erst recht in eine diverse Landschaft, wie die des der Grimselpasses eingebettet werden.
Die Arbeit im elektrischen Netz, die mein Grossvater damals nach Innertkirchen brachte, geht also weiter. Und ich als sein Enkel werde nun versuchen Leitungen so in die Landschaft einzufügen, dass sie vor dem Alterskollaps und trotzdem kostengünstig ersetzt werden können.